Im letzten Teammeeting stellte ich den Kolleginnen und Kollegen meiner Abteilung die Themeninitiative „Green & Social Bank“ unseres Arbeitgebers vor. Als Unterstützer dieser Initiative bin ich immer auf der Suche nach interessanten Geschichten von Arbeitskollegen, die sich in ihrem Privatleben ökologisch oder gesellschaftlich engagieren. Ein paar Tage nach diesem Teammeeting rief mich mein Kollege Olaf Krogul im Homeoffice an und erwähnte, dass ihm einer meiner letzten Artikel im Mitarbeiterblog („Wenn das Essen Räder bekommt“) sehr gut gefallen hat. Er wäre aktuell ebenfalls ehrenamtlich tätig und organisiert in seiner Heimatstadt Meppen „Foodsharing“ als Nachbarschaftshilfe in Zeiten von Corona. Das ließ mich natürlich aufhorchen. Da wir an diesem Tag jedoch beide nicht viel Zeit hatten, vereinbarten wir einen neuen Termin, um uns ausführlicher über sein soziales Engagement auszutauschen. Heute ist es so weit…
Hallo Olaf, normalerweise führe ich Interviews immer „face to face“ in einem meiner Duisburger Lieblings-Cafés. Corona verändert halt auch solche Dinge. Du sitzt nun mit einem Tässchen Kaffee in Meppen und ich mit einem Pott Kaffee in Hamminkeln. Du erwähntest in unserem letzten Telefonat, dass soziales Engagement aktuell ein Teil Deines Alltags geworden ist. Erzähl doch mal! Was machst Du genau?
Hi Karsten, danke erst einmal, dass Du Dir die Zeit nimmst, mit mir über unser Meppener Selbsthilfe-Projekt zu sprechen. Bei uns in Meppen – wie in anderen Städten auch – stehen einige Mitbürger durch Corona vor großen logistischen aber auch finanziellen Problemen hinsichtlich der Beschaffung von Lebensmitteln und anderen üblichen Artikeln des täglichen Bedarfs. Das sind häufig Menschen, die durch Quarantäne isoliert sind, aber eben auch Menschen, die sich durch Corona in Kurzarbeit befinden oder sogar ihren Job verloren haben und nun arge finanzielle Probleme haben. Wir haben vor einiger Zeit eine Facebook-Gruppe ins Leben gerufen. Dort bitten wir nun Meppener Bürger um Spendengaben in Form von Lebensmitteln oder anderen üblichen Artikeln des täglichen Bedarfs. Wir kümmern uns dann nachgelagert um die Verteilung dieser Spenden an bedürftige Mitbürger, die sich bei uns gemeldet und Bedarf bekundet haben.
Wow – das klingt schon nach nicht unbeträchtlichem Organisationsaufwand für Euch. Wie heißt Eure Facebook-Gruppe eigentlich?
„Foodsharing Meppen NEU“ – egal ob Spender oder Bedürftiger: man schreibt uns einfach eine kurze persönliche Nachricht via Facebook. Wir melden uns dann.
Nochmals kurz zum organisatorischen Aufwand Eures Hilfsangebotes. Schildere doch mal kurz einen normalen Tag als ehrenamtlicher „Foodsharer“. Was machst Du persönlich alles bzw. was musst Du nun noch irgendwie zwischen Job und Familie hineinquetschen?
Wie Du bereits vermutest, schluckt unser aktuelles Hilfsangebot einiges an Zeit. Wir sind letztlich an allen 7 Tagen der Woche – also auch an den Wochenenden – im Einsatz. „Foodsharing Meppen NEU“ verlangt bereits morgens, direkt nach dem Aufstehen, Einsatz von uns Helfern. Beim ersten Kaffee des noch jungen Tages werden die Facebook-Nachrichten der Spender und Empfänger gesichtet und beantwortet.
Dann geht es wahrscheinlich im Homeoffice an den Firmenrechner, da der Job im Bereich Transaction Banking wartet, oder?
Exakt! Untertägig trudeln dann die Sachspenden bei uns ein. Teilweise müssen wir die Sachen aber auch bei den Spendern abholen. Da ist es hilfreich, dass unser Helferteam aus mehreren Personen besteht. So kann ich mich zunächst einmal bis nachmittags um meinen Hauptjob kümmern, während andere Helfer die Spenden abholen.
OK – Ihr habt dann irgendwann die Spenden beisammen. Jetzt müssen die Sachen ja noch zu den Menschen, die Bedarf haben. Wie läuft das ab?
Am späten Nachmittag treffen sich alle Helfer und wir sortieren die erhaltenen Spenden zunächst. Danach rufen wir all die Menschen an, welche sich bei uns gemeldet haben und Bedarf angemeldet haben. In diesen Telefonaten gehen wir mit den Bedürftigen unsere Spendenbestände durch und sie sagen uns, was davon benötigt wird. Hiernach werden die entsprechenden Taschen gepackt.
Üblicherweise stellen wir diese Taschen dann vor unsere Tür und die Empfänger holen sie sich dort ab. In Fällen, wo eine Abholung durch Quarantäne oder andere Gründe nicht möglich ist, bringen wir die Taschen auch zu den Empfängern und stellen sie dort vor die Tür.
Und dann ist das gute Werk des Tages getan und ich nehme an, dass dann Zeit für das Privatleben ist.
Schön wäre es, Karsten. Wir erhalten über Facebook teils bis spät in die Nacht Nachrichten. Unsere Rolle ändert sich dann allerdings ein wenig. Wir werden gerade abends mehr zum „Seelentröster“ und zur „Guten Seele“, die ein paar aufmunternde Worte übermittelt.
Wenn ich noch ein Beispiel bringen darf?
Klar! Schieß los!
Wir helfen aktuell einer Familie, die bereits seit 2 Wochen in Quarantäne ist. Zuerst waren die Mutter und die Kinder an Corona erkrankt. Nach diesen 2 Wochen wurde die Quarantäne nochmals um 2 Wochen verlängert, da zwischenzeitlich auch der Vater erkrankte. Man kann sich vorstellen, dass dies eine äußerst schwierige Zeit für die betroffene Familie ist. Wir stehen neben unserer Funktion als Lieferant von Spenden auch als „virtuelle Freunde“ in regelmäßigem Kontakt zu dieser Familie. Ein paar liebe, aufmunternde Worte und ein offenes Ohr für die vorhandenen Sorgen und Nöte wirken oft Wunder…
Das kann ich vollends bestätigen, lieber Olaf. Diese Erfahrung mache ich auch regelmäßig bei meinen Touren für „Essen auf Rädern“. Letztlich geht es nicht nur darum, dass man jemanden fragt, wie es ihm geht. Es geht vor allem ums genaue Zuhören, wenn er antwortet. Wie wird Euer Angebot aktuell eigentlich angenommen?
Sehr gut. Wir erhalten jeden Tag immens viele Spenden, die wir auch meistens tag gleich an bedürftige Menschen weiterleiten können. Da bleibt bei uns nichts auf Halde. Es ist wirklich eine enorm hohe Bereitschaft zu Sachspenden bei den Meppener Bürgern vorhanden. Das macht uns Helfern wirklich Spaß und bereitet auch den bedürftigen Menschen sehr viel Freude.
Ein wichtiger Punkt, wie ich finde. Spaß und Freude gehören zum Ehrenamt einfach dazu und sind – wie bei vielem im Leben – essenziell. In meinem Blog-Beitrag „Green& Social Bank trifft Ehrenamt“ ging ich bereits etwas tiefer auf das Wesen des Ehrenamtes ein.
Olaf, ich denke, dass es in unserem Land noch einige Menschen gibt, die zwar um den Sinn und die gesellschaftliche Notwendigkeit eines Ehrenamtes wissen, jedoch noch ein wenig unentschlossen hinsichtlich der eigenen Umsetzung sind. Schildere doch noch bitte kurz was Dir Dein Einsatz bei „Foodsharing Meppen NEU“ persönlich gibt und was Dein innerer Antrieb ist.
Da wäre zunächst einmal das verdammt erfüllende Gefühl, dass ich anderen Menschen, die momentan durch eine schwierige Zeit gehen, eine kleine Hilfe sein kann. Natürlich spielt auch viel Dankbarkeit mit hinein. Ich bin auch schon durch schwierigere Zeiten im Leben gegangen, bei denen mir von anderen Menschen geholfen wurde. HELFEN ist für mich eine wunderbare Art und Weise seine Dankbarkeit dem Leben und der Gesellschaft gegenüber zu zeigen. Wir haben hier in Deutschland doch das unsagbare Glück in einem Land zu leben, welches uns ein friedliches Leben mit einer guten sozialen und wirtschaftlichen Ausstattung ermöglicht. Für dieses Privileg dürfen wir ruhig regelmäßig Dankbarkeit empfinden und zeigen. Gelebte Solidarität bringt dieses Gefühl dann wunderbar zum Ausdruck, oder?
Absolut! Ich glaube, dass Du hier etwas sehr Wesentliches ansprichst. Dankbarkeit dafür, dass es uns doch eigentlich gut geht und aus diesem Gefühl heraus einfach etwas zurückgeben. Das ist für viele Ehrenamtler sicherlich ein wichtiges Motiv. Eines interessiert mich zum Ende unseres Interviews noch brennend. Gab es bisher einen Moment, wo Dir Dein Helfen eine richtig wohlige Gänsehaut bescherte?
*Lacht…* Sicherlich – da gab es bereits einige Gänsehaut-Momente. Das sind so kleine Dinge, wie ein dankbares Lächeln oder ein freundliches Zuwinken durchs Fenster, wenn die Menschen unsere Unterstützung erhalten haben. Wir erhalten aber auch handbemalte Steine oder kleine selbst gebastelte Karten, auf denen sich eine paar liebe Worte des Dankes finden. Das sind schon immer sehr emotionale Momente.
Lieber Olaf, vielen Dank, dass Du mir und den Lesern einen so tiefen und interessanten Einblick in Deine persönliche Welt der „gelebten Solidarität“ gewährt hast!
Gerade in unserer aktuellen Zeit, wo wir neben Corona noch vor anderen gewaltigen ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stehen, ist es wichtig zu wissen, was uns miteinander verbindet.
Du und Deine Helfergruppe seid wirklich ein wunderbares Beispiel dafür, worüber wir im Kern sprechen, wenn es um gesellschaftliche Verbundenheit und Solidarität geht.
Vielen Dank an Dich und Deine Mitstreiter!
Alles Gute und bleibt vor allem weiterhin gesund.
Karsten