Seit knapp drei Monaten unterstützt Silas Vogt im Duisburger Dienstleistungscenter der TARGOBANK als Praktikant tatkräftig den Bereich Transaction Banking. Nachdem ich mich das erste Mal kurz mit Silas unterhalten hatte, stand sofort für mich fest, dass ich mir seine höchst interessante Lebensgeschichte mal etwas ausführlicher erzählen lassen muss. Nun sitze ich mit Silas in einem gemütlichen Duisburger Cafè und freue mich ungemein auf das, was er mir nun berichten möchte.
Hallo Silas, wir sitzen hier gerade im „Evergreen“ zum Interview beisammen und ich freue mich sehr, dass Du Dir die Zeit hierfür genommen hast. Lass uns gleich loslegen. Erzähle doch einfach mal ein wenig von Dir. Wo kommst Du her und wie bist Du aufgewachsen?
Hallo Karsten, erst einmal vielen Dank für die Einladung. Ein sehr schönes Cafè hast Du übrigens ausgesucht! Also: Ich heiße Silas Vogt und wurde 1988 in Sao Paulo (Brasilien) geboren. Ich habe noch einen jüngeren Bruder. Meine Eltern und der Rest unserer Großfamilie leben in Brasilien. Wie sehr viele Menschen in Brasilien, besaßen auch meine Eltern nicht viel. Ich wuchs in einer sehr armen Gegend Sao Paulos auf. Ihr kennt solche Gegenden unter dem Begriff „Favela“.
Wie verbringt man seine Kindheit und Jugend in Brasilien, wenn man nicht zur privilegierten Gesellschaftsschicht gehört?
Bis zu meinem sechsten Lebensjahr verbrachte ich viel Zeit bei meinen Großeltern, da meine Eltern beide arbeiten mussten. Meine Großeltern haben insgesamt elf Kinder und entsprechend viele Enkel- und Urenkel. Es war dort natürlich immer mächtig viel los und mir war als Kind nie langweilig.
Mit 6 Jahren kam ich in die Grundschule und danach in die weiterführende, staatliche Allgemeinschule. Dort kann man ein brasilianisches Abitur machen, jedoch brechen viele Jugendliche die Schule ab, da sie irgendwann arbeiten müssen, um ihre Familie mit zu unterstützen.
So etwas wie Euer Schulsystem gibt es in Brasilien leider nicht. Die Privatschulen kann sich in Brasilien kaum jemand leisten. Also gehen die meisten Kinder auf diese Allgemeinschule.
Hattest Du als Jugendlicher schon eine Vorstellung, was Du später einmal werden wolltest bzw. hattest Du einen Berufswunsch?
Bereits mit 15 oder 16 Jahren entstand mein Traum, irgendwann einmal Ökonom zu sein. Jedoch wusste ich auch, dass ich das in Brasilien nicht schaffen kann, da mir für den Besuch einer privaten Universität das Geld fehlte und die staatliche Universität ein so striktes Auswahlverfahren hat, dass die Wahrscheinlichkeit dort aufgenommen zu werden gegen Null ging.
Mein Vater wollte damals, dass ich begleitend zur Schule eine Berufsausbildung mache. Ich entschied mich für die Ausbildung zum Industriemechaniker. Auch hierfür muss man eine Aufnahmeprüfung machen, wobei dann letztlich nur die 20 – 30 Besten von allen Bewerbern genommen werden.
Ich bereitete mich mehr als ein Jahr auf diese Aufnahmeprüfung vor und schaffte sie letztlich. Mit 15 Jahren begann ich somit meine Ausbildung zum Industriemechaniker.
Wow – Schule und zusätzlich noch eine Ausbildung. Das klingt recht anstrengend, oder?
In der Tat! Zwei Jahre lang ging ich von morgens bis nachmittags in die normale Schule und danach bis 21:00 Uhr zur Ausbildung. Das war schon hart…
Ich hatte in dieser Zeit nicht viel Zeit für andere Dinge. Mit 15 entdeckte ich auch meine Leidenschaft für die Musik und sang in einer Rockband.
Hierfür blieb während meiner Ausbildung natürlich auch kaum Zeit.
OK, mit 17 Jahren beendetest Du die Ausbildung und die Schule neigte sich wahrscheinlich auch dem Ende entgegen. Wie ging es weiter?
Exakt – mit 17 war ich mit Schule und Ausbildung fertig und begann noch ein einjähriges Praktikum in „Rechnungslegung“ – das ist vom Grundsatz her vergleichbar mit Buchhaltung.
Darauf aufbauend arbeitete ich dann erst einmal bis Mitte 20 in der Rechnungslegung eines Unternehmens in Sao Paulo. Dort kam ich mit SAP und Excel in Berührung und wollte ein wenig mehr von beidem verstehen.
Von meinem Gehalt kaufte ich mir regelmäßig entsprechende Fachlektüre. Mit einem weiteren Teil meines Gehaltes unterstützte ich meine Familie und ein bisschen konnte ich auch sparen.
Wir unterhalten uns gerade auf Deutsch. Ich hörte Dich aber auch schon Englisch und Spanisch reden. Woher hast Du all diese Sprachkenntnisse?
(lacht) In Brasilien sprechen nicht allzu viele Menschen Englisch. Die Landessprache ist Portugiesisch. Mit Anfang 20 wollte ich unbedingt fließend die englische Sprache lernen. Ich entschloss mich dazu, hierfür ein Sabbatjahr in meiner Firma einzulegen. Ich hatte in den Jahren zuvor ein wenig Geld ansparen können und wollte nun einen mehrmonatigen Sprachkurs in England machen. Leider waren die behördlichen Auflagen für einen dortigen Aufenthalt einfach zu hoch.
So wurde es schließlich Irland, denn dort funktionierte es mit einem einfachen Visum. Am Ende meines Irlandaufenthaltes und Sprachkurses musste ich noch eine Abschlussprüfung absolvieren, bei der ich ein C1-Level erreichte, was der fünften Englischkompetenzstufe (GER) entspricht.
Das Lernen von Sprachen macht mir wirklich Spaß und liegt mir anscheinend auch etwas. Als ich wieder zurück in Brasilien war, brachte ich mir Spanisch und Deutsch dann selber bei, indem ich das World Wide Web nutzte. Ich schaute mir viele Youtube-Tutorials an und chattete häufig mit Deutsch und Spanisch sprechenden Menschen. Das funktionierte eigentlich ganz gut.
Silas, Du bist wirklich der Knaller! Wenn ich Deine Geschichte bis hierhin meinem 14-jährigen Sohn erzähle, wird er es wahrscheinlich für eine fiktive Motivationsstory halten… Wie, wann und warum bist Du denn letztlich nach Deutschland gekommen?
Nachdem ich aus Irland zurück war, ergab sich für mich die Möglichkeit in einem Musikgeschäft zu arbeiten, dass Import und Export von Musikinstrumenten betrieb. Aufgrund meiner Leidenschaft für Musik, war das natürlich eine klasse Möglichkeit.
Vor ungefähr sieben Jahren lernte ich meine heutige Frau kennen. Sie ist Deutsche und mittlerweile Lehrerin.
Aha – wegen der Liebe kamst Du also nach Deutschland?
So kann man es sagen.
Wir lebten eine Zeit lang zusammen in Brasilien, jedoch befindet sich Brasilien seit 2014 in einer sehr schweren Wirtschaftskrise.
Wir trafen somit 2016 den Entschluss, dass wir gemeinsam zurück nach Deutschland kommen. Ende des Jahres 2016 heirateten wir dann und ich nahm den Familiennamen meiner Frau an.
Vogt. Stimmt – nach Deinem deutschen Nachnamen wollte ich Dich auch noch gefragt haben. Seit 2016 bist Du also in Deutschland und studierst hier mittlerweile, wenn ich richtig informiert bin?
Genau – ich studiere an der kostenpflichtigen EURO-FH den Studiengang „European Business Management“. An einer staatlichen Universität kann ich leider nicht studieren, da mein brasilianisches Abitur in Deutschland nicht anerkannt wird. Ich hoffe nun, dass ich in absehbarer Zeit meinen Bachelor in Händen halte.
Wenn nicht Du, wer dann?! Was sagen Deine Eltern eigentlich zu Deinem sagenhaften Werdegang?
Meine Eltern sind natürlich wahnsinnig stolz auf mich. Ich wäre mit meinem Bachelor der Allererste in unserer ganzen Familie, der einen akademischen Abschluss haben würde.
Natürlich ist es nicht ganz so schön, dass wir so viele Kilometer getrennt sind, aber letztlich wissen meine Eltern, dass es mir gut geht. Darum geht es ihnen ja letztlich.
Lieber Silas, das kann ich als Vater blind unterschreiben! Erzähle uns bitte noch kurz, wie Du letztlich zur TARGOBANK gekommen bist.
Ich benötige hier in Deutschland zur Finanzierung meines Studiums und meines Alltags natürlich ein wenig Geld. Daher schrieb ich jede Menge Bewerbungen und bot mich am Arbeitsmarkt mit meinen erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten an. Hierbei musste ich feststellen, dass es in Deutschland leider nicht ganz so einfach ist, als Seiteneinsteiger einen Fuß in die Arbeitswelt zu bekommen.
Die TARGOBANK zeigte letztlich Interesse an mir und bot mir einen halbjährigen Praktikumsplatz an. Hierfür bin ich der TARGOBANK wirklich sehr, sehr dankbar!
Ich arbeite aktuell im Bereich „Transaction Banking“ und habe dort bereits einige Tätigkeiten aus dem Tagesgeschäft übernommen.
Worin unterscheidet sich das Arbeiten in Brasilien vom Arbeiten in Deutschland?
Der größte Unterschied liegt vermutlich an den kulturellen Unterschieden der Menschen. In Brasilien ist man auch auf der Arbeit etwas relaxter unterwegs.
Hier in Deutschland herrscht mehr Ordnung und Struktur. Das empfinde ich aber nicht als störend – das Gegenteil ist der Fall. In dieser Hinsicht bin ich schon recht deutsch gestrickt.
Besonders toll finde ich bei der TARGOBANK die offene Kommunikation mit den Kollegen und Führungskräften. Ich fühlte mich von Anfang an sehr gut aufgenommen.
Wir sind nun leider am Ende unseres Interviews angekommen. Was wünschst Du Dir für Deine berufliche Zukunft?
Schwierige Frage – als erster Punkt wäre da mein Bachelor im Studium. Den will ich auf jeden Fall! Zudem wäre es natürlich klasse, wenn ich hier in Deutschland eine feste Anstellung in einem Unternehmen finden würde. Ein geregeltes Einkommen zu haben und mich einfach nur noch auf meine fachliche Weiterentwicklung im Job konzentrieren zu können – das wäre wirklich toll.
Lieber Silas, ich bin mir sicher, dass nun das Interesse von potentiellen Arbeitgebern geweckt wurde. Deine Geschichte macht nochmals deutlich, dass man mit einer klaren Vision und dem Glauben an sich und seine Fähigkeiten fast alles im Leben erreichen kann – wenn man denn wirklich will. Herzlichen Dank für Deine Offenheit und die absolut faszinierenden Einblicke, die Du mir und den Lesern in einen Teil Deines Lebens gewährt hast. Ich wünsche Dir für Deine weitere Zukunft alles erdenkliche Gute.
Das Interview führte Karsten Schulz