Der Sinn hinter „Essen auf Rädern“
Viele ältere, pflegebedürftige oder durch ein Handicap eingeschränkte Personen, haben dank Essen auf Rädern die Möglichkeit, in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben und sich dabei einen gewissen Grad an Selbständigkeit und Lebensqualität zu erhalten. In vertrauter Umgebung zu essen ist gerade im Alter oder wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen ins Leben getreten sind ein nicht zu verachtender Faktor in Sachen Wohlbefinden.
In aktuellen Zeiten von Corona, wo ein Lebensmitteleinkauf für obige Personengruppen mit einem ernstzunehmenden Infektionsrisiko verbunden ist, kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Sicherheit!
Nackte Zahlen
Hamminkeln hat 7 Ortsteile, die sich über eine Fläche von ungefähr 164 Quadratkilometer erstrecken. Um eine tägliche Auslieferung zu gewährleisten, sind alleine in Hamminkeln rund 250 ehrenamtliche Fahrer mit ihrem Privatfahrzeug unterwegs. Im Schnitt ist jeder 1 – 2 Mal pro Monat unterwegs.
Wir Ehrenamtler werden aktuell auf 11 verschiedenen Auslieferungstouren eingesetzt. Ich bin aktuell der Tour 9 zugeteilt, die hauptsächlich „The City of Hamminkeln“ ansteuert. Während eines Jahres werden insgesamt über 50.000 Mahlzeiten an Hamminkelner Bürger ausgeliefert und es sammeln sich – über alle Touren und Fahrer betrachtet – mehr als 165.000 Fahrkilometer an.
Beweggründe
Fragt man bei den ehrenamtlichen Fahrern nach dem WARUM, so kommt sehr häufig die Antwort:
„Ich möchte durch meine ehrenamtliche Tätigkeit der Gesellschaft etwas zurückgeben. Mir geht es schließlich gut.“
Bei mir persönlich verhielt es sich seinerzeit so, dass ich im Lokalteil meiner Tageszeitung einen Bericht über das Hamminkelner Modell von Essen auf Rädern las. In diesem Artikel war auch die Sprache davon, dass man gerade für die Lieferungen an den Wochenenden noch ehrenamtliche Fahrer suche.
„Warum nicht?! Zeit genug hast Du sonntags gegen Mittag eigentlich…“ kam mir damals spontan in den Sinn. Ich meldete mich kurzentschlossen bei der genannten Kontaktstelle.
Kurze Zeit später war ich dann auch schon „on the road“. Im Folgenden begleitet Ihr mich nun auf einigen Kilometern meiner heutigen Tour.
Tour durch das Hamminkelner Stadtgebiet
Heute Nacht wurde die Uhr wieder einmal auf Sommerzeit umgestellt. Mit dieser Zeitumstellung stellte sich anscheinend auch das Wetter gleich mit um. War es die letzten Tage angenehm und fast frühsommerlich, änderte sich dies nun über Nacht.
„Kalt, windig und regnerisch. Traumhaftes Wetter, um gleich Essen auszufahren.“ geht es mir durch den Kopf, als ich mir die erste Tasse Kaffee des noch jungen Sonntags koche.
Pünktlich um 10:50 Uhr starte ich Richtung Dingden, einen nur wenige Kilometer entfernten Nachbarort der Stadt Hamminkeln. In der Altenheimküche des Dingdener St.- Josef-Haus werden täglich sämtliche Essen auf Rädern-Gerichte für das Hamminkelner Stadtgebiet gekocht.
Heute fahre ich das Mal seit Inkrafttreten der Schutzmaßnahmen gegen Corona. Ich bin gespannt, wie es unter den aktuellen Bedingungen läuft und die augenblickliche Stimmung bei den Essensempfängern ist.
Auf dem Hof des St.-Josef Hauses parke ich.
Im Untergeschoss wartet bereits der Schubwagen mit den transportbereiten blauen Essensboxen auf mich.
„Aha – heute sind es 14 Boxen und ein Schutz-Set liegt auch dabei… “
In der Tat sind diesmal 2 Utensilien dabei, die normalerweise nicht mit zur Ausstattung gehören: Gummihandschuhe und eine kleine Flasche Desinfektionsmittel, damit wir den nötigen Schutz für unsere Essensempfänger, aber auch für uns Fahrer gewährleisten können.
Schnell gleiche ich die Namensschilder auf den Boxen mit meiner heutigen Auslieferungsliste ab, die sich in der schwarzen Mappe befindet. Hierdurch werden „böse Überraschungen“ umgangen, denn es soll vereinzelt auch schon vorgekommen sein, dass Boxen fehlten oder falschen Touren zugeordnet wurden, was für alle Beteiligten unangenehm ist. Das gilt es zu vermeiden, daher dieser kurze, vorsorgliche Abgleich. Danach mache ich mich behände ans Einladen.
Nachdem die Boxen in meinem „Raumwunder“ namens Astra verstaut sind, hefte ich noch kurz das obligatorische Essen auf Rädern-Schild an meine Windschutzscheibe.
Um Punkt 11:15 Uhr bin ich startbereit und es geht schleunigst wieder zurück nach Hamminkeln, wo bereits 14 Damen und Herren auf ihr Mittagessen warten.
Um kurz vor halb Zwölf übergebe ich die erste Essensbox des heutigen Tages. Normalerweise wiederholt sich meistens das immer gleiche Prozedere:
• zur Anschrift aus der Liste fahren
• Wagen abstellen
• Box herausholen
• zur Tür gehen
• klingeln
• Box mit ein paar netten Worten übergeben
• leere Box in Empfang nehmen
• zurück zum Auto
…
Aufgrund der aktuellen Corona-Situation ist es heute jedoch etwas anders als sonst.
Wo ich die Essen ansonsten oftmals an bestimmten Plätzen in den Wohnungen abstelle und im Gegenzug die leeren Boxen von dort mitnehme, erwarten mich heute an den meisten Adressen die leeren Boxen bereits vor der Haustür.
Manchmal ist die Haustür bereits geöffnet und der jeweilige Bewohner spricht in deutlichem Sicherheitsabstand ein paar Worte mit mir. Es kommt aber auch vor, dass ich die Kisten einfach nur vor der Haustür tausche und niemanden zu Gesicht bekomme.
In solchen Fällen lasse ich mir es allerdings nicht nehmen, mal kurz zu klingeln. So sind die Damen und Herren zumindest informiert, dass nun das warme Sonntagsmahl vor der Tür steht und der kulinarischen Freude nichts mehr im Wege steht.
Zwei Dinge spüre ich bei den heutigen zwischenmenschlichen Kontakten ganz klar: Verunsicherung und ungewohnte Zurückhaltung.
Wie es meine Art ist, wünsche ich dort, wo ein realer Kontakt stattfindet, sinngemäß jedes Mal einen schönen Restsonntag, einen guten Appetit und den aufmunternden Appell:
„Es kommen bald auch wieder bessere Zeiten!“
Dabei huscht meinem Gegenüber meist ein zaghaftes Lächeln übers Gesicht und in diesen Momenten wird mir bewusst, wie wichtig und mächtig solch kleine Gesten sein können.
Die letzte Lieferung des heutigen Tages führt mich in die wunderbaren Wiesen und Felder, von denen Hamminkeln umgeben ist.
Hier auf dem Lande sind die Wege zueinander halt manchmal etwas weiter und auch etwas einsamer.
Um 12:15 Uhr sind alle 14 Essen ausgeteilt und ich düse wieder zurück nach Dingden. Dort müssen die eingesammelten leeren Boxen, die schwarze Mappe mit der Auslieferungsliste und das Essen auf Rädern-Schild abgegeben werden.
Achja – nicht zu vergessen: die kleine Flasche Desinfektionsmittel.
Nachdem alles wieder an seinem Platz ist und ich meine Hände nochmals sorgfältig desinfiziert habe, steige ich in meinen Wagen.
Im Gepäck habe ich nun wieder einmal das tolle Gefühl, für andere Menschen einen kleinen Mehrwert geschaffen zu haben. Obwohl es ein sehr überschaubarer Zeiteinsatz von insgesamt 2 Stunden war, trägt der heutige Sonntag für mich nun den wohltuenden Hauch von Sinnhaftigkeit mit sich.
Heiter gelassen cruise ich zurück nach Hamminkeln und freue mich bereits darauf, in den kommenden Stunden diesen Blog-Beitrag zu schreiben.
Einladung an Dich
Gerade in der aktuellen Zeit der Beschränkung hast Du eventuell einen neuen Zugang zu den kleinen Freuden Deines Alltags. Den Dingen sozusagen, die man im hektischen Alltag schnell aus den Augen verliert.
Vielleicht hast Du bereits die aktuelle Situation als Anlass genommen, um Deinen Mitmenschen in der Form Solidarität zu zeigen, dass Du Dich zum Beispiel in aktuellen Nachbarschaftshilfen aktiv einbringst.
Das wäre in der Tat eine ganz wunderbare Sache!
Unsere Gesellschaft benötigt allerdings auch in einer Post-Corona-Zeit solidarischen Zusammenhalt und ehrenamtliches Engagement.
Wenn sich beim Lesen dieses Beitrages der Gedanke bei Dir einschlich, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit bei Essen auf Rädern etwas für Dich sein könnte:
Kein Problem!
Auch in Deiner Stadt gibt es sicherlich einen oder mehrere Anbieter. Fühle Dich herzlich eingeladen, einfach mal einen Kontakt dorthin herzustellen…
Natürlich stehe ich Dir auch sehr gerne zur Verfügung, wenn Du vorab noch ein paar generelle Fragen haben solltest.
„Es gibt kein beglückenderes Gefühl, als zu spüren, dass man für andere Menschen etwas sein kann.“
-Dietrich Bonhoeffer-
In diesem Sinne,
Karsten